• Laufzeit: 01.07.2011 – 31.05.2016
  • Schwerpunkt: Ernährung
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Gushing | Erarbeitung technologischer Maßnahmen in der Brauerei bzw. Mälzerei zur Vermeidung von Gushing bei Verwendung von Rohstoffen mit erhöhtem Gushing-Potenzial unter Beachtung des Reinheitsgebots

Abstract Das plötzliche und spontane Überschäumen karbonisierter Getränke ist ein ernstzunehmendes Problem in der Brau- und Getränkeindustrie. Um ein Verständnis der grundlegenden Gushing-Mechanismen zu gewinnen wurden unterschiedliche Substanzen auf ihr Gushing-auslösendes bzw. Gushing-unterdrückendes Verhalten hin untersucht. Ein Schwerpunkt der Untersuchungen zielte auf die Identifikation Gushing-aktiver Bierinhaltsstoffe ab. Hier zeigten insbesondere die Hydrophobine sowie die Sinapinsäure ein Gushing-positives Verhalten. Im Falle der Sinapinsäure konnte ein alternativer Gushing-Entstehungsmechanismus postuliert werden, der sich über die Vernetzung von CO2 und Sinapinsäure zur Gushing-aktiven Flocke beschreiben lässt. Eine erfolgreiche Unterdrückung des Überschäumens konnte durch den Einsatz verschiedener Terpene erzielt werden, wobei hier Guaiene, Ocimene und Myrcene stärkste Wirkung zeigten. Die durchgeführten Stresstests kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen: während durch Erwärmung geschlossener mit Sinapinsäure versetzter Bonaqa®-Flaschen Gushing vollständig unterdrückt werden konnte, zeigte eine mechanische Belastung durch „Fallenlassen“ keine Wirkung. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten dem Brauer die Möglichkeit, z. B. durch den Einsatz ausgewählter terpenhaltiger Hopfensorten im Brauprozess oder durch thermische Behandlung im Anschluss der Abfüllung, gezielt in die Mechanismen der Gushing-Entstehung einzugreifen und damit Gushing erfolgreich zu unterbinden.

Das spontane Wildwerden und Hochschäumen karbonisierter Getränke nach dem Öffnen der Flasche beschreibt den sogenannten Gushing-Effekt. Von diesem Phänomen können alle karbonisierten, d. h. kohlensäurehaltigen Getränke wie Bier, Sekt, Schaumweine und Champagner sowie Fruchtsaftschorlen und Mineralwässer betroffen sein. Unterschieden wird zwischen dem sogenannten primären und dem sekundären Gushing. Beim primären Gushing kommen als Ursache jahreszeitlich bedingte Rohstoffeinflüsse zum Tragen, beim sekundären Gushing sind es technologische Ursachen, wie Partikel und Kristalle im Getränk oder Rauheiten auf der Innenseite der Flaschen oder Dosen. Diese Rauheiten fungieren als Kondensationskeime für im Wasser gelöstes CO2 und können damit ein Überschäumen verursachen. Während die Ursachen des sekundären Gushings weitgehend aufgeklärt sind und sicher beherrscht werden können, werden die Gründe für ein Überschäumen in Folge rohstoffbedingter Einflüsse derzeit erforscht. Am Institut für Lebensmitteltechnologie konnten im Rahmen des seit Anfang Juli 2011 laufenden Forschungsvorhabens „Gushing“ durch systematische Variation zahlreiche Substanzen identifiziert werden, die Gushing auslösen. Eine Betrachtung der chemischen Eigenschaften dieser Substanzen gab konkrete Hinweise über den zugrunde liegenden Mechanismus der Gushing-Entstehung.

Abb. 1: Gushing-Entstehung nach Öffnen einer Bierflasche

Zielsetzung

Mit dem Vorhaben verfolgten die Projektmitarbeiter Antonie Hermann, Ahmet Alper Aydin, Manuela Melcher und Peter Rose unter der Leitung von Prof. Dr. Vladimir Ilberg das Ziel, dem Brauer – im Anschluss einer erfolgreichen Projektbearbeitung – konkrete und praxisnahe Handlungsempfehlungen mit auf den Weg geben zu können, die ihn ermächtigen Gushing in seiner Braupraxis zu vermeiden. Die im Rahmen des Projekts gewonnenen Erkenntnisse sollen ihn befähigen, eine gezielte „Anreicherung“ Gushing-unterdrückender Stoffe als Reaktionsmöglichkeit auf akute Probleme oder vorsorglich bei problematischen Jahrgängen unter Beachtung des Reinheitsgebotes vorzunehmen. Eine Entsorgung kritischer Chargen kann auf diesem Wege verhindert werden, was erhebliche Kosteneinsparungen auf Seiten der Brau-Industrie zur Folge hätte. Zur Realisierung dieses Projektziels wurden folgende Teilziele definiert: 1. Identifizierung und Charakterisierung Gushing-auslösender Substanzen. Hierzu wurden als Gushing-positiv vermutete Substanzen in variierenden Konzentrationen in einer karbonisierten Versuchsflüssigkeit (Bonaqa®) eingewogen. So sollten Informationen über die chemischen Eigenschaften (Strukturen) der Modellsubstanzen erarbeitet werden, die für eine Entstehung des Gushing-Mechanismus ausschlaggebend sind. 2. Identifizierung und Charakterisierung Gushing-unterdrückender Substanzen. Zu diesem Zwecke wurden als Gushing-negativ vermutete Substanzen zusätzlich zu den Gushing-auslösenden Substanzen in die karbonisierte Versuchsflüssigkeit gegeben. So sollten Stoffe identifiziert werden, die Gushing reduzieren oder vollständig unterdrücken. Eine Betrachtung der chemischen Struktur und des Verhaltens beider Substanzen in CO2-haltiger Lösung sollte Aufklärung über den Mechanismus der Gushing-Unterdrückung geben. 3. Gezielte Suche nach Bierinhaltsstoffen, welche die Eigenschaften besitzen entweder Gushing auszulösen oder zu unterdrücken. Diese Untersuchungen wurden in karbonisierterem Wasser, aber auch in ober- und untergärigem Bier durchgeführt, um deren Wirksamkeit unter praxisrelevanten Bedingungen, d. h. im Bier zu überprüfen. 4. Evaluierung verschiedener Stresstests. Erfahrungen aus der Braupraxis zeigen, dass sich eine mechanische oder thermische Behandlung von Bierflaschen bei Gushing-problematischen Jahrgängen positiv auf die Überschäumverhalten auswirken kann. Eine Evaluierung in der Praxis teilweise etablierter Stresstests, wie z. B. ein „Fallenlassen“ geschlossener Flaschen im Bierträger aus definierter Höhe (Schockbehandlung) oder eine Erwärmung, sollte Aufschluss über deren Potential zur Gushing-Unterdrückung geben.

Abb. 2: Vernetzung von CO2 und Sinapinsäure über Wasserstoffbrückenbindungen zur Gushing-aktiven Flocke

Vorgehen

Zur Untersuchung der Gushing-Auslösung oder -Unterdrückung wurden die zu untersuchenden Substanzen zunächst in Ethanol gelöst und in dieser Form dem zu untersuchenden Getränk (Bonaqa®, untergäriges & obergäriges Bier) zugegeben. Die Flaschen wurden in einem Fünffach-Ansatz entsprechend dem Modifizierten Carlsbergtest (MCT) behandelt. Nach definiertem Schütteln und Öffnen der Flaschen wurde das Gewicht der überschäumenden Flüssigkeitsmenge bestimmt und somit das Gushing-Potenzial der Substanzen bzw. Substanzgemische ermittelt. Die in der Praxis als „Notlösung“ teilweise angewandten Maßnahmen zur Gushing-Unterdrückung (Schockbehandlung, Erwärmung) wurden untersucht, indem im Anschluss der Stressbehandlung die Flaschen geöffnet und deren Überschäummenge bestimmt wurde.

Ergebnisse

Der allgemein anerkannte Mechanismus der Gushing-Entstehung beschreibt das Überschäumen als Resultat stabilisierter CO2-Nano-/Mikroblasen in Lösung. In diesem Zusammenhang agglomerieren oberflächenaktive Substanzen (Tenside) an der Grenzfläche Gas-Flüssigkeit und stabilisieren die CO2-Blase. Beim Öffnen der Flasche kommt es zur Druckentspannung, was ein erhöhtes Gasvolumen zur Folge hat. In der Folge wachsen die Blasen, schnellen an die Oberfläche und lösen Gushing aus. Gemeinsames Charakteristikum aller Gushing-auslösenden Substanzen ist ihr Tensid-Charakter, d. h. eine hydrophile Kopfgruppe, und ein lang- und geradkettiger hydrophober Rest. Gushing-positiv sind in diesem Zusammenhang gesättigte Fettsäuren mit einer langkettigen hydrophoben Kohlenstoffkette von zwölf oder mehr Kohlenstoffatomen, aber auch bestimmte Fettalkohole und Monoacylglycerole mit ähnlichem hydrophobem Rest. Auch komplexe Substanzen, wie Cholesterol, einige Phenolsäuren oder aus mehreren Aminosäuren aufgebaute Peptide mit Tensid-Charakter sind in der Lage Strukturen aufzubauen, die als Kondensationskeime wirken und damit Gushing auslösen. Betrachtet man die Bierinhaltsstoffe, so lösen Hydrophobine, die infolge einer Gerstenmalzinfektion durch Fusarium spp. ins Bier eingetragen werden können, aber auch aus der Gerstenzellwand bzw. aus dem Hopfen stammende phenolische Komponenten Gushing aus. Im Rahmen der Untersuchungen mit den Phenolsäuren gelang es, ein in Abgrenzung zum Modell der stabilisierten Mikroblasen alternatives Erklärungsmodell für die Entstehung des Gushing-Phänomens zu postulieren. Wird die Löslichkeit der ausgewählten Phenolsäuren in Wasser betrachtet so fällt auf, dass sich die Sinapinsäure mit 0,0015 mol/l bei 30 °C am wenigsten gut löst. Die Löslichkeit erhöht sich in der Folge Sinapinsäure < Zimtsäure < Ferulasäure < Vanillinsäure. Dieses unterschiedlich stark ausgeprägte Löslichkeitsverhalten spielt vermutlich eine wesentliche Rolle zu einer alternativen Erklärung des Gushing-Phänomens. Betrachtet man das CO2-Molekül, so besitzt dieses ein permanentes Quadrupol-Moment, welches sich wie ein Moment zweier entgegengesetzt-gleicher Dipole verhält. Die partiell negativ geladenen Sauerstoffatome des CO2 sind in der Lage über Wasserstoffbrückenbindungen mit den partiell positiv geladenen Wasserstoffatomen der undissoziierten Hydroxygruppen der Sinapinsäure zu interagieren (Abb. 2). Eine geringe Löslichkeit ist gleichbedeutend mit einer mangelnden Dissoziation der Hydroxygruppen. Das bedeutet die undissoziiert vorliegenden Hydroxygruppen der schlecht löslichen Sinapinsäure sind in der Lage sich mit den CO2-Molekülen zu vernetzen, diese zu stabilisieren und damit Gushing-aktive Flocken auszubilden. Die Evaluierung der Stresstests kam zu dem Ergebnis, dass die gushende Wirkung der Sinapinsäure in Bonaqa® durch eine zweistündige Erwärmung der geschlossenen Flaschen auf 50 °C für zwei Stunden vollständig unterdrückt wurde, ein „Fallenlassen“ des Bierträgers aus 20 cm Höhe hingegen jedoch nicht.

Publikationen

  • Dr. Alper Aydin, Prof. Dr.-Ing. Vladimir Ilberg, Dr.-Ing. Jean-Baptist Manuel Titze

    • Berechtigungen:  Peer Reviewed

    Investigation of overfoaming activities and gushing mechanisms of individual beer ingredients as model substances in bottled carbonated water (2014) Journal of the Science of Food and Agriculture 94 (10), S. 2083-2089. DOI: 10.1002/jsfa.6528

    Researchers from several disciplines are interested in understanding the spontaneous and eruptive overfoaming (gushing) of carbonated beverages, as it is an essential problem of both brewing and beverage industries. In order to understand the mechanism(s) taking place in gushing-beer, several beer ingredients have been investigated as model substances in much simpler matrix of carbonated water. For this purpose, sinapic acid, vanillic acid, ferulic acid, cinnamic acid and palmitic acid have been chosen as model beer ingredients. Gushing formation of the investigated beer ingredients depends on degree of stabilized solvated molecular carbon dioxide in water. For this purpose, functional groups which are capable of forming hydrogen bonds with electronegative oxygen atoms of carbon dioxide are needed. However, solubility of substances plays an important role in abundance of these functional groups in undissociated form to interact further with solvated molecular carbon dioxide. The reported data provide valuable insights into the gushing problem and help to understand its formation pathways. Each gushing-positive substance has an individual mechanism related to its structural conformation and solubility level. Therefore, possible gushing mechanisms have been proposed with respect to structural changes in model substances to clarify the differences in observed overfoaming and gushing stability levels.

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