• Laufzeit: 15.02.2022 – 31.12.2026
  • Schwerpunkt: Biodiversität

Kameragestützte Evaluierung von Vogelkollisionen an Windenergieanlagen

Im Rahmen der Energiewende strebt die Bundesregierung Deutschland den drastisch beschleunigten Ausbau regenerativer Energien an (BMU 2010, 2004). Deutschland nimmt zusammen mit den USA im Windenergiesektor eine Spitzenrolle ein (Hötker er al. 2013). Vor allem in Süddeutschland kann die regenerative Stromerzeugung der jetzigen und prognostizierten Nachfrage nicht gerecht werden.

Gründe hierfür liegen in zahlreichen Hindernissen bei der Projektierung von Windkraftanalagen. Eine große Problemstellung ergibt sich durch den europäischen Artenschutz und hierbei vor allem das Tötungsverbot nach § 44 BNatSchG. Unter anderem weisen bestimmte Greifvogelarten eine besonders hohe Empfindlichkeit gegenüber Windkraftanlagen auf (Grünkorn et al. 2016, Hötker et al. 2013, Miosga et al. 2013). Dies zeigen auch die Auswertungen der bundesdeutschen Schlagopferfundkartei, die 37% alle Funde den Greifvögeln zuordnen konnten (Dürr 2013 in Hötker et al. 2013). Darunter fallen auch zahlreiche geschützte Arten (z.B. Anhang I, EG-Vogelschutzrichtlinie) wie z.B. der Rotmilan (Milvus milvus) der durch sein überwiegend endemisches Vorkommen in Europa und 50% des Brutbestandes (Mebs & Schmidt in Walz 2005) in der Bundesrepublik Deutschland einen besonders verantwortungsvollen Umgang fordert.

Vogelbeobachtungsturm im Waldgebiet bei Fuchstal
Ein Rotmilan schwebt mit ausgebreiteten Flügelschwingen am hellblauen Himmel
Kollisionsgefährdete Zielart: Rotmilan © Christoph Moning, HSWT

Die genauen Umstände der zahlreichen Kollisionen sind bisher nicht umfänglich bekannt (u.a. May et al. 2015), bei der Auswahl geeigneter Windkraftstandorte und der anschließenden Genehmigung werden daher bisher zum Beispiel Mindestabstandsflächen zu Horststandorten (z.B. LAG VSW 2015), Ablenkflächen sowie Maßnahmen zur zeitlichen Abschaltung herangezogen, um ein Kollisionsrisiko zu vermindern (siehe u.a. LUBW 2013). Da die Beurteilung des „signifikant erhöhten Tötungsrisikos“ schwierig vorherzusagen ist, wurde in den letzten Jahren bei einer Vielzahl von geplanten Anlagen auch aus artenschutzrechtlichen Gründen keine Genehmigung erteilt.

Technische Vermeidungsmaßnahmen, wie das automatische Abschalten durch Impulse oder das Ausstoßen von akustischen Warn- bzw. Vergrämungssignalen, die von Überwachungsgeräten (Kameras, Radargeräte) ausgelöst werden und somit Kollisionen verhindern sollen, sind auf ihre Wirksamkeit bisher nur in begrenzten Umfang untersucht. Studien fanden unter anderem in der Schweiz (Aschwanden et al. 2015) und in Norwegen (May et al. 2012) statt, durch geringe Stichproben und besondere naturräumliche Gegebenheiten ergibt sich für Deutschland jedoch nur eine geringe Übertragbarkeit der Aussagen zur Wirksamkeit. Daher werden diese technischen Vermeidungsmaßnahmen behördlicherseits hierzulande nicht akzeptiert, da ihre Wirkung bisher nicht eindeutig belegt werden konnte.

Um diese Wissenslücke mit fachlich fundierten Daten füllen zu können, ergibt sich der Bedarf an einer systematischen Ermittlung der Effektivität technischer Vermeidungsmaßnahmen. Erprobungen von Kollisionsvermeidungssystemen haben sich bislang auf den außerbayerischen Raum und auf Anlagenstandorte außerhalb von Wälder konzentriert (Bruns et al. 2020). Der Ausbau der Windenergie ist perspektivisch jedoch zumindest auch in Wäldern erforderlich und bedarf einer angepassten artenschutzrechtlichen Beurteilung (Richarz 2014).

Zielsetzungen

Damit die Rahmenbedingungen für die Formulierung wirksamen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahme im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Verfahrens gelingen kann, müssen im Rahmen des Projektes folgende Inhalte untersucht werden:

1. Prinzipien und Leitplanken bedarfsgerechter Abschaltung – Evaluierung von Risiko-Managementmaßnahmen

Prioritär soll in dem Projekt evaluiert werden, was kamerabasierte Kollisionsvermeidungssysteme leisten müssen, damit sie als wirksame Kollisionsvermeidungssysteme Anerkennung finden können. Dabei gliedern sich die Forschungsinhalte gemäß den relevanten Leistungsmerkmalen beteiligter Kamerasysteme (KNE 2019; Bruns et al. 2021).

Dies umfasst die räumliche und zeitliche Abdeckung der Systeme, ihre Erfassungsreichweite sowie die Genauigkeit der Erfassung kollisionsgefährdeter Vogelarten, insbesondere Rotmilan und Schwarzmilan. Dafür werden die Daten der Kamerasysteme mit Referenzdaten verglichen, die durch ornithologische Planbeobachtungen ermittelt werden.

2. Wirksamkeit und Effizienz der Systemreaktion

Zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines technischen Kollisionsvermeidungssystems wird die Wirksamkeit (Abschaltung der WEA) und Effizienz (Anzahl und Dauer der Abschaltung im Verhältnis von erforderlichen und nicht erforderlichen Abschaltungen) quantitativ bewertet.

In diesem Zusammenhang wird untersucht, wie oft und unter welchen Umständen (z.B. Rotorgeschwindigkeit, Witterung, Verhalten der Vögel) gefährliche Flüge im Bereich der WEA auftreten und wie häufig korrekte oder irrtümliche Abschaltsignalen gesendet werden.

3. Klärung der Signifikanzschwellen für das Tötungsrisiko kollisionsgefährdeter Arten

Kamerasysteme können für Voruntersuchungen im Rahmen immissionsschutzrechtlicher Verfahren zur Anwendung kommen. Dies hat den entscheidenden Vorteil, dass die Daten unmittelbar mit den Monitoringdaten der an den Anlagen installierten Kamerasysteme verglichen werden können. In der Folge lässt sich ein Kollisionsrisiko für Individuen einzelner Arten wesentlich leichter im Vorfeld einer Genehmigung abschätzen. Dies soll helfen, die zwangsläufig höhere Zahl von Beobachtungen durch Kamerasysteme im Vergleich zu Planbeobachtungen einschätzen zu lernen und auch Signifikanzniveaus hinsichtlich die Kollisionsrisikos abzuschätzen.

Hierzu werden die Grundaktivitätsmuster der Zielarten in Abhängigkeit von Tageszeit, Jahreszeit und Witterung untersucht. Da die geplanten Windenergieanlagen im zweiten Projektjahr gebaut und in Betrieb genommen werden, ist es möglich die Anzahl und Umstände möglicher Kollisionsereignisse mit dem Auftreten der Arten vor Inbetriebnahme der WEA zu vergleichen. Ebenso kann durch der Vergleich der Flüge vor und nach Inbetriebnahme der WEA untersucht werden, ob es bei den Zielarten zu Meideverhalten kommt.

Rahmenbedingungen der Erprobung

Um die Untersuchungsfragen des Projektes klären zu können, wurde ein Gebiet mit hohem Brutvorkommen der Zielarten Rotmilan und Schwarzmilan ausgewählt. Kamerabasierte Kollisionsvermeidungssysteme sind bislang nur an Offenlandstandorten erprobt worden, während für bewaldete Standorte noch Vergleichswerte fehlen. Diese Bedingungen werden durch den Anlagenstandort Fuchstal erfüllt.

Im Bereich der geplanten WEA werden ab Sommer 2022 zwei Kamerasysteme des Herstellers Identiflight getestet. Diese sind auf Türmen in 40m Höhe installiert um den Waldstandort überblicken zu können.

Für die Vergleichsuntersuchungen werden geschulte Beobachter eingesetzt. Durch ornithologische Beobachtungen werden Flugobjekte klassifiziert und identifiziert. Die Beobachtung ist auf Stichproben begrenzt und erfolgt in regelmäßig über einen Zeitraum von 4 Vegetationsperioden (2022-2025).


Kameraturm mit Antikollisionssystem Identiflight

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