• Laufzeit: 01.01.2021 – 31.12.2023
  • Schwerpunkt: Landnutzung
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Die sozialen Aspekte von Baulücken

Das Projekt untersuchte die gesellschaftlichen Aspekte, die der Innenentwicklung im ländlichen Raum im Wege stehen. Die Bekämpfung von Leerstand und die Nachverdichtung von Orten bringen insbesondere die bestehenden Baulücken in den Fokus, also die Grundstücke, in denen eine Bebauung im Gegensatz zu den umliegenden Arealen nicht stattgefunden hat.

Warum haben manche Grundstücke sich nicht entwickelt?

Gerade vor dem Hintergrund einer notwendigen Reduzierung der Flächeninanspruchnahme stellte sich die Frage, ob die Eigentümer:innen von attraktiven Baulücken noch im Sinne des Gemeinwohls handeln. Bei den sozialen Aspekten von Baulücken besteht eine Forschungslücke, die wichtige Kenntnisse für die Flächensparoffensive und allgemeine Dorfentwicklung anbieten könnte. Das Forschungsprojekt untersuchte diese gesellschaftlichen und kulturellen Faktoren und stellte die Frage nach den Gründen, aus denen die Eigentümer:innen von Baulücken ihre Grundstücke nicht entwickelt haben bzw. nicht entwickeln wollen.

Wiesenflächen, links und im Hintergrund Einfamilienhaussiedlung
Klassische Baulücken im Ortsbereich © Marina Beck
Wiesenfläche vor einer Hecke, dahinter Einfamilienhaussiedlung
Baulücke in Wolframs-Eschenbach © Marina Beck

Ergebnisse und Handlungsempfehlungen

Die zentralen Studienergebnisse sowie die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen für die Praxis sind im Studienbericht "Die sozialen Aspekte von Baulücken" zusammengefasst. Weitere Publikationen folgen 2024.

Zusammenfassung des Studienberichts

Hintergrund

Angesichts der Bestrebungen der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung, den Flächenverbrauch bis spätestens 2050 auf eine kreislauforientierte Flächennutzung umzustellen (Netto-Null-Flächenverbrauch), arbeiten die Länder und Kommunen in Deutschland mit verschiedenen Maßnahmen an der Reduzierung des Flächenverbrauchs. Die Innenentwicklung ist die nachhaltigste Art, neue Wohn- oder Gewerbeeinheiten zu schaffen; dabei wird auf brachliegenden, leerstehenden oder nicht genutzten Grundstücken innerhalb bestehender Siedlungsgebiete gebaut. Die Innenentwicklung rückt unbebaute baureife Grundstücke (Baulücken) und deren Eigentümer:innen in den Fokus. Warum wollen sie nicht bebauen oder verkaufen? Was sind ihre Pläne?

Zielrichtung und Methodik der Studie

In dieser auf drei Jahre angelegten Studie der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf wurden die Perspektiven von Kommunalvertreter:innen und Grundstückseigentümer:innen in drei ländlichen Gemeinden in Franken (Bayern) untersucht. In den ländlichen Räumen sind der Flächenverbrauch und der Zuwachs an Neubaugebieten besonders ausgeprägt. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, mehr über die Beweggründe und Perspektiven der örtlichen Grundstückseigentümer:innen in Bezug auf die Innenentwicklung zu erfahren. Ende 2021 und Anfang 2022 wurde eine schriftliche Umfrage an 1.417 Eigentümer:innen in den Kommunen Wolframs-Eschenbach (3.135 EW), Neusitz (2.106 EW) und Uehlfeld (3.137 EW) verschickt, in der anonym mit einer Reihe von offenen und geschlossenen Fragen die Sichtweisen zu Privateigentum und zur Ortsentwicklung erfragt wurden. Zusätzlich erhielten 45 Gemeinderatsmitglieder und Bürgermeister eine Online-Umfrage. Im Anschluss daran wurden 35 Interviews mit Vertreter:innen der regionalen Planungsbehörden sowie mit bereitwilligen Eigentümer:innen geführt.

Zwei Frauen und ein Mann stehen auf kiesiger Fläche, Mann in der Mitte zeigt mit seinem Arm nach links
Ortsbegehung in Wolframs-Eschenbach, v.l.: Prof. Dr. Jennifer Gerend, HSWT, Bürgermeister Michael Dörr und Carolin Jank von der Bauverwaltung) © Marina Beck
Grüne Wiese neben der Straße mitten in Siedlung, davor 3 Personen und parkende Autos
Ortsbegehung mit Besichtigung der Baulücken in Wolframs-Eschenbach, v.l.: Marina Beck, HSWT, Bürgermeister Michael Dörr und Carolin Jank, Bauverwaltung © Jennifer Gerend

Differenzierung der Ergebnisse nach Siedlungstypen

Die Ergebnisse wurden vier räumlich kodierten Siedlungstypen zugeordnet: historische Ortskerne, Siedlungen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, Siedlungen aus den 1980-90er Jahren und Neubaugebiete nach 2000. Bei vielen Antworten gab es erhebliche Unterschiede zwischen diesen Siedlungstypen: Grundstückseigentümer:innen in den neueren Siedlungen tendierten im Allgemeinen zu einer individualistischeren Einstellung als die Befragten in den Ortskernen. Die Eigentümer:innen wurden zu verschiedenen Arten von Entwicklungen und deren positiven Einfluss auf ihre Gemeinde befragt. Die größte Zustimmung in allen Siedlungstypen gab es für die Erhaltung und Sanierung älterer Gebäude. Die Mitglieder des Gemeinderats und die Bürgermeister sprachen sich im Allgemeinen für eine Mischung aus Neubaugebieten und Nachverdichtung aus. Die Eigentümer:innen von Baulücken beantworteten Fragen zu ihren Plänen: Viele Grundstücke wurden für die Enkelkinder bereitgehalten, viele dienten als Grünflächen, und nur sehr wenige Eigentümer:innen waren derzeit an einem Verkauf interessiert, obwohl ein Fünftel der Befragten angab, unschlüssig über die künftige Nutzung des Grundstücks zu sein.

Auf Grundlage der Ergebnisse empfehlen die Autorinnen, den Eigentümer:innen von Baulücken maßgeschneiderte Unterstützung und Anreize zu bieten, die die sozialen Aspekte ihrer Situation berücksichtigen (einschließlich langfristiger Pachtoptionen, Landtausch oder Tausch gegen Einheiten in einem neuen Gebäude auf dem Grundstück). Da viele Eigentümer:innen die Baulücken in ihrer Nachbarschaft als wünschenswerte und willkommene Grünflächen wahrnehmen, sollte das Augenmerk stärker auf die Planung von Grünflächen in kleinen ländlichen Kommunen und die Neubewertung vorhandener Grundstücke als mögliche öffentliche Grünflächen gerichtet werden.

Drei Personen gehen zu Fuß zwischen Häusern und Zäunen in Richtung Kirchturm
Bürgermeister Werner Stöcker zeigt dem Forschungsteam der HSWT die Gemeinde Uehlfeld © Jennifer Gerend
Frau (links) und Mann (rechts) mit dem Rücken zur Kamera blicken auf historisches Tür einer Stadteinfahrt
Blick auf den Eingang zum Ortskern der Gemeinde Uehlfeld - Prof. Dr. Jennifer Gerend und Stadtplaner Frieder Müller-Maatsch © Marina Beck

Weitere Ergebnisse der Studie

Darüber hinaus könnten zentral gelegene Mehrfamilienhäuser für die allgemeine Bevölkerung (und insbesondere für Senior:innen) dazu beitragen, kleinere Wohneinheiten für diejenigen bereitzustellen, die kein Einfamilienhaus benötigen, es sich nicht leisten können oder sich eine andere Wohnform wünschen. Die Bürgermeister und Gemeinderatsmitglieder waren offen für zusätzliche fachliche Unterstützung, Schulungen, Beratungen durch Regierungsfachleute und Besichtigungen von Best Practice-Beispielen. Regionale Selbstbindungen mehrerer Kommunen könnten die Innenentwicklung anstelle des Flächenverbrauchs fördern. Statt in neue Baugebiete zu investieren, könnten die Gemeinden eigene Förderprogramme für Eigentümer:innen auflegen, welche auf ihren Grundstücken zusätzliche Wohneinheiten schaffen und so zu einer qualitativ hochwertigen Nachverdichtung beitragen. Auf Landesebene wäre es empfehlenswert, eine Grundsteuer einzuführen.

Sanierungs- und Restaurierungsprojekte

Da die Zustimmungsrate zu Sanierungs- und Restaurierungsprojekten extrem hoch war, können die Verantwortlichen in den Gemeinden ermutigt werden, Sanierungsmaßnahmen voranzutreiben. Idealerweise würde eine Kombination aus Fördermitteln, Informationen und Einsteigerkursen über die Sanierung und Renovierung älterer Gebäude dazu beitragen, dass sich auch neue Generationen ohne Bedenken für ältere Eigenheime entscheiden.

In Neusitz zeigt Bürgermeister Manuel Döhler Prof. Dr. Jennifer Gerend Baulücken der Gemeinde © HSWT
Teilnehmende hören dem Vortrag zu
Bei der Abschlusstagung im Forschungsprojekt am 27.11.2023 wurden die zentralen Ergebnisse präsentiert, und reger Austausch fand zwischen den kommunalen Vertreter:innen statt © Katharina Mairle

Ergänzende Informationen zum Projekt

Forschungsbeirat

Ein transdisziplinärer Forschungsbeirat begleitete das Projekt. Dieser setzte sich aus folgenden Praxispartner:innen zusammen:

  • Dr. Rainer Fugmann, Regionsbeauftragter für die Region Westmittelfranken (8) bei der Regierung von Mittelfranken
  • Dr. Verena Walter, Abteilung Land- und Dorfentwicklung, Förderinitiative "Innen statt Außen", Amt für Ländliche Entwicklung Mittelfranken
  • Franziska Wurzinger, Flächensparmanagerin für Mittelfranken, Regierung von Mittelfranken
  • Stefanie Bojko, Flächensparmanagerin für Mittelfranken, Regierung von Mittelfranken

Untersuchungsorte

Als Partnerkommunen hatten sich drei ländliche Kommunen in Westmittelfranken bereit erklärt, an den Befragungen teilzunehmen. So wirkten die Stadt Wolframs-Eschenbach und die Gemeinde Neusitz im Landkreis Ansbach sowie die Gemeinde Uehlfeld im Landkreis Neustadt-Aisch mit jeweils rund 2.000 bis 3.000 Einwohner:innen als Untersuchungsorte am Projekt mit.

Befragungen

Die schriftlichen Befragungen der Eigentümer:innen von Immobilien und Grundstücken in Wolframs-Eschenbach wurden Ende November 2021 auf dem Postweg versandt. In der Marktgemeinde Uehlfeld erfolgten die schriftlichen Befragungen im Dezember 2021, und in der Gemeinde Neusitz Ende Januar 2022. Von insgesamt 1.417 angeschriebenen Eigentümer:innen in den drei Orten nahmen 585 Eigentümer:innen an der Befragung teil. Darüber hinaus erhielten die Stadt- bzw. Gemeinderät:innen und die Bürgermeister eine gesonderte Online-Befragung per E-Mail.

Im Frühjahr/Sommer 2022 erfolgten insgesamt 35 Interviews mit Grundeigentümer:innen und Gemeinderät:innen der drei Orte, den drei Ortsbürgermeistern sowie Vertreter:innenn aus regionalen Behörden und kommunalen Bauverwaltungen. Anschließend erfolgte die Datenauswertung und Einordnung der Ergebnisse.

Abschlusstagung

Am 27. November 2023 lud das Forschungsteam die Partnerkommunen und beteiligten Akteure zur Abschlusstagung am Campus Triesdorf der HSWT ein, wo die Ergebnisse vorgestellt und über die daraus folgenden Handlungsempfehlungen diskutiert wurde.

Projektleitung HSWT

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