• Laufzeit: 01.05.2020 – 31.12.2022
  • Schwerpunkt: Landnutzung
  • Forschungsstatus:  Abgeschlossen

Rettung von Großvieh bei Brandereignissen landwirtschaftlicher Gebäude in Holzbauweise (REGROBRA) - Teilprojekt 2: Verhalten von Rindern bei Brandfällen und Strategien zur Evakuierung und Erstversorgung am Unglücksort

Projektbeschreibung

Ziel des Projekts war die Entwicklung von Strategien für die Evakuierung und Verwahrung von Rindern außerhalb des Brandobjekts, basierend auf Analysen des Tierverhaltens im Brandfall. Die Brandrisiken, sowie die Bedingungen für die Tierrettung wurden für die maßgeblichen Nutzungsarten bewertet. Dem folgend wurde die Milchviehhaltung als Startpunkt identifiziert, um erarbeitete Erkenntnisse im Anschluss für die Ausarbeitung spezifischer Konzepte für weitere Nutzungsarten verwenden zu können. Es wurden bestehende Veröffentlichungen zu Brandschutzkonzepten von Nutztier- und Pferdehaltungen, zum Flucht- und Vermeidungsverhalten von Rindern sowie zu Feuerwehreinsatzberichten bei Stallbränden ausgewertet, um ein Tierrettungskonzept zu erarbeiten und in einem Praxisversuch zu validieren. Bei der detaillierten Analyse der Literatur konnten Wissenslücken bzw. ein Mangel an wissenschaftlichen Vorarbeiten festgestellt werden, bezüglich des Tierverhaltens im Brandfall, zielführender vorsorglicher Maßnahmen zur Vorbereitung von Rettungswegen, sowie im Hinblick auf Hilfestellungen und Hinweisen für Rettungskräfte. Aufbauend auf diesen Ausgangsbedingungen wurde zur Erweiterung der Datenbasis eine Online-Umfrage mit 950 teilnehmenden Feuerwehrangehörigen und von Bränden betroffenen Landwirten durchgeführt, um Erfahrungen aus bisherigen Brandverläufen in Tierhaltungen auszuwerten. Aus der Literatur, Experteninterviews und den erhobenen Erfahrungsberichten ließen sich Hypothesen zur optimalen Gestaltung von Rettungswegen für Rinder formulieren. Zur Überprüfung der Hypothesen wurde, nach erfolgter Tierversuchsgenehmigung der Regierung von Oberbayern, ein Evakuierungsversuch mit einer Milchviehherde in Kooperation mit der örtlichen Feuerwehr durchgeführt, der Pilotcharakter hatte.

Projektergebnisse

In der Online-Umfrage konnten umfangreiche Daten erhoben werden, mit denen sich Aussagen zu den Einflussfaktoren für eine erfolgreiche Tierrettung treffen lassen. Dabei stellte sich u.a. heraus, dass die Bedeutung des organisatorischen Brandschutzes hervorzuheben ist, insbesondere bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Feuerwehren und landwirtschaftlichen Betrieben im Sinne einer verbesserten Einsatzvorbereitung durch Betriebsbegehungen, Übungen am Betrieb und der Erstellung von Einsatzplänen. Auch stellte sich ein Bedarf der Feuerwehren an Fortbildungen zum Umgang mit Großtieren und der angepassten Einsatztaktik bei Stallbränden dar. Weiterführende Hypothesen zur optimalen Gestaltung von Rettungswegen konnten in einem Evakuierungsversuch überprüft werden. Dabei konnte die nicht an den Austrieb gewöhnte Versuchsgruppe in unter einer Minute aus dem Stall verbracht werden. In Ergänzung konnte der positive Effekt einer vorhergehenden Gewöhnung der Rinder an den Austrieb auf das Tierverhalten bei der Evakuierung belegt werden. Aus den Ergebnissen abgeleitete Empfehlungen für die Gestaltung und Vorbereitung von Rettungswegen sowie von Sammelstellen für die Rinder außerhalb vom Stall, wurden in einem Bewertungsbogen zusammengefasst, mit dem es Landwirten ermöglicht wird, ihre individuelle betriebliche Situation im Hinblick auf Möglichkeiten der Tierrettung zu bewerten, Schwächen bzw. mögliche Herausforderungen zu erkennen und mit geringem Investitionsbedarf gezielt Verbesserungen zu erreichen und ein Tierrettungskonzept zu erstellen. Die Projektergebnisse stießen auf großes Interesse in der Fachwelt und wurden in zahlreichen Vorträgen, Veröffentlichungen, Workshops und Interviews präsentiert. Im Rahmen des Projekts sind eine Bachelor-, eine Master- und eine Doktorarbeit entstanden. Der Austausch innerhalb eines interprofessionellen Netzwerks aus Partnerorganisationen wurde initiiert, um die Thematik weiterzutragen und im Verbund voranzubringen.

Zielsetzung

Neben der mangelnden Statistik gibt es keine einheitlichen Aussagen über das Verhalten von Rindern im Brandfall. Es finden sich in der Literatur zwar einige Fallstudien und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Brandfall in der Landwirtschaft, es werden jedoch meist Brandfälle in Pferdeställen und das Verhalten von Pferden bei Brandereignissen betrachtet. Das Verhalten der Rinder hängt stark davon ab, ob die Tiere daran gewöhnt sind, ihre Stallungen zu verlassen. Auch ist der Erfolg der Rettung davon abhängig, ob die eingesetzten Personen Erfahrung im Umgang mit Rindern haben.

Nach ALB Hessen besteht gegenüber anderen Tiergattungen bei Milchkühen am ehesten die Möglichkeit, mit Hilfe der Betriebsangehörigen die Tiere durch ausreichend vorhandene Tore aus dem Gebäude zu treiben. Auch erleichtert es die Rettung der Rinder, wenn sie durch den gewohnten Ausgang ausgetrieben werden. Dennoch ist das Verhalten von Tieren in Panik oft nicht abzusehen, sodass es zu nicht abschätzbaren Reaktionen kommen kann, die zu einer unmittelbaren Gefahr für den Menschen werden.

Zu beachten ist bei allen Rettungsversuchen, dass eine Tierrettung nur in Absprache mit den Einsatzleitern der Feuerwehr durchzuführen ist. Neben der Gefahr des Verbrennens ist die häufigste Todesursache von Tieren bei Brandereignissen die Rauchintoxikation. Auch Tiere in nicht direkt vom Brand betroffenen Stallungen können durch den Brandrauch von angrenzenden Feuern gefährdet werden. Rinder sind davon stärker betroffen, da sie im Verhältnis zu ihrer Lebendmasse ein verhältnismäßig kleines Lungenvolumen aufweisen. So ist es umso wichtiger, Konzepte zu entwickeln, die es sowohl ermöglichen, im Brandfall die Tiere auf gewohnten Triebwegen zügig aus dem Stall zu bringen als auch nach dem Brandfall artgerecht zu versorgen.

Da sich die Stallungen stark nach Nutzungsart unterscheiden, wird im ersten Arbeitspaket die zu betrachtende Nutzungsart Rind mit Fokus auf Milchkühe festgelegt. Des Weiteren sollen vorhandene Konzepte analysiert und verifiziert werden. Auch sollen Brandschutzkonzepte für andere Tierarten (Pferd, Schwein) und andere Nutzungsrichtungen betrachtet werden und ggf. eine Grundlage erarbeitet werden.

Im weiteren Verlauf wird das Flucht- und Vermeidungsverhalten der Rinder in Ausnahmesituationen analysiert, sowohl beim Einzeltier als auch im Herdenverhalten. Für eine bestmögliche Versorgung der geretteten Tiere werden Anforderungen an den Außenbereich, für Sammelstellen, Triagestellen und Erstversorgungsstellen ausgearbeitet. Aus allen Informationen wird ein mögliches Konzept für einen bestehenden Betrieb ausgewertet, welches anschließend getestet werden soll.

Ergebnisse

Umsetzung eines Pilotversuches zur Evakuierung von Rindern

  • Pilotvorhaben ohne Zugriff auf Erfahrungswerte in publizierten Vorarbeiten
  • Objektive Überprüfung der ansonsten nur auf Erfahrungsberichten basierten Hypothesen zur optimalen Gestaltung von Rettungswegen und dem Effekt einer adaptierten Einsatztaktik der Feuerwehr. Die Evakuierung von 23 ungewöhnten Milchkühen gelang in unter einer Minute.
  • Entwicklung von Gülleabwurfgitterabdeckungen aus Holz mit Gummimatten-Belag als einfach umsetzbare Sofortmaßnahme, zusammen mit der TH Rosenheim, mit der viele Landwirte unmittelbar und selbstständig die Rettungsmöglichkeiten bei sich am Betrieb verbessern können
  • Analyse der Gewöhnung von Milchkühen an den Austrieb auf Weide auf Einzeltierebene im Rahmen einer Bachelorarbeit (Drexl, 2022). Dadurch konnte dargestellt werden, dass bestimmte Rinder stets vorne waren in der Austriebsreihenfolge und sich leichter austreiben ließen als andere.
  • Grundlage und Vorbildfunktion für Folgeversuche zur schnellen Tierrettung bei Milchkühen als auch bei weiteren Nutzungs- sowie Tierarten im Brand- oder andersweitigem Katastrophenfall
Eine Herde von Kühen wird nachts auf die Weide getrieben, im Hintergrund Feuerwehrfahrzeuge und Flutlichtbeleuchtung
Abb. 1: Ausgetriebene Rinder auf der Weide © Florian Diel
Ausgang eines Rinderstalls, mit Gittern verschlossen, davor sieht man die mit braunen Platten abgedeckte Öffnung des Gülleabwurfgitters
Abb. 2: Gülleabwurfgitter-Abdeckung © Florian Diel

Verbesserung der Datenlage zum Tierverhalten im Brandfall, zu zielführenden Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes auf landwirtschaftlichen Betrieben als auch zu Verläufen bisheriger Brände in Tierhaltungen

Durchführung einer Online-Umfrage mit 950 auswertbaren Fragebögen zu Erfahrungen aus bisherigen Brandverläufen

  • Betreuung einer Masterarbeit (Achter, 2022), die die Umfrage bezüglich der Antworten der teilnehmenden Feuerwehrangehörigen auswertete
  • Identifikation des Fortbildungsbedarfs der Feuerwehren beim Umgang mit landwirtschaftlichen Nutztieren sowie der angepassten Einsatztaktik im Brandfall von Tierhaltungsanlagen
  • Die Ergebnisse der Umfragenauswertung unterstützen zudem die These, dass Rinderhaltungen mit Weideaustrieben Vorteile bei der Tierrettung haben. Die Ergebnisse weisen nicht darauf hin, dass die Herdengröße einen Einfluss auf den Evakuierungserfolg hat.
Säulendiagramm mit verschiedenen HSWT-Grüntönen und Prozentangaben in den Säulen
Abb. 3: Angaben der Feuerwehrangehörigen über den Bedarf an Lehrgängen, abgefragt in der Online- Umfrage © Florian Diel
Diagramm mit statistischen Auswertung nach Perzentilen
Abb. 4: Retrospektive Auswertung vergangener Stallbrände. Anteil evakuierter Rinder nach Auslaufmöglichkeiten. Unterschiedliche Hochbuchstaben kennzeichnen signifkante Unterschiede (p<0,05) © Florian Diel

Wissenstransfer, Veröffentlichung der Ergebnisse, Förderung der Thematik im fachlichen Diskurs

Es wurden und werden auch weiterhin zahlreiche Presseanfragen bearbeitet und eigene Veröffentlichungen getätigt (siehe Publikationsliste). Eine Dissertation am Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung der Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Titel „Strategien zur Evakuierung von Milchvieh bei Stallbränden“ (siehe am Ende der Seite) bündelt die Publikationen sowie die betreute Bachelor- und Masterarbeit.

     

    Anwendungsgebiete

    • Möglichkeiten für Landwirte zielführend, individuell und einfach Vorbereitungen für den Brandfall zu treffen, um ihre Milchkühe und wirtschaftliche Existenz zu schützen
    • Hinweise für eine adaptierte Einsatztaktik der Feuerwehren im Brandfall in Tierhaltungen
    • Betonung der Bedeutung des Organisatorischen Brandschutzes für die Vorbeugung am landwirtschaftlichen Betrieb
    • Grundlage für weitere Forschungsarbeiten zur Tierevakuierung bei anderen Tier- und Nutzungsarten

    Ausblick

    • Entwicklung eines OPEN vhb Kurses zur Sinnensphysiologie und dem Tierverhalten von sowie dem sicheren Umgang mit Rindern: „Auf Du mit der Kuh“
    • Studentische Projektarbeit zusammen mit der Universität Kassel zur Anwendung der erarbeiteten Leitfäden in Praxisbetrieben
    • Vortragsreihe im Rahmen des Netzwerk Fokus Tierwohl „Brandschutz im Rinderstall - Strategien zur Evakuierung“
    • Vorbereitung von Fortbildungen für Feuerwehren
    • Zweite Masterarbeit, welche die restlichen Umfrageergebnisse zu Erfahrungen bisheriger Stallbrände auswerten wird

    Publikationen

    Promotionen

    Evakuierung von Milchrindern im Brandfall - Gestaltung von Rettungswegen

    Promovierende Person
    TA Florian Diel
    florian.diel@hswt.de
    Forschungsschwerpunkt
    Weitere Forschungsfelder
    Zeitraum
    01.06.2020 – 30.09.2023
    Wissenschaftlich betreuende Person (HSWT)
    Prof. Dr. Dr. Eva Zeiler
    Wissenschaftlich betreuende Person (extern)
    Dr. med. vet. Elke Rauch
    Ludwig-Maximilians-Universität München

    Projektleitung HSWT

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    Verbundprojektleitung (extern)

    Teilprojektleitung (extern)

    Projektmitwirkung (extern)

    Partner

    Adressierte SDGs (Sustainable Development Goals)